Ungenutzte Kapazitätsreserven heben

Krapohl-Wirth Beratungsunternehmen

Ungenutzte Kapazitätsreserven heben

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Die Potenziale von Maschinenrüstzeiten erschließen sich zum Teil mit einfachsten Mitteln. Dennoch werden sie noch immer vernachlässigt.

(Dr. Hans-Peter Krapohl)

 

Installationsarbeiten an einer Druckgießanlage für E-Mobilitätsteile mit bereits fertig eingesetzter Druckgießform. Rüstzeiten können Dr. Krapohl zufolge relativ einfach um rund 60 % verringert werden. FOTO: WARREN RICHARDSON

 


Aktuelle Kostenschrauben, denen Gießereien bei sinkenden Erlösen gegenüberstehen sind u. a. der industrielle Umstieg auf E-Mobilität, der laufende Umstellungsprozess auf Aluminium-Fahrwerke mit hohen Folgeinvestitionen, das Aufkommen neuer Werkstoffe, ein schrumpfender Markt, anziehende Auslandskonkurrenz sowie steigende Faktorkosten und verschärfte Umweltauflagen.
Asiatische, aber auch amerikanische Konkurrenten kaufen nicht nur weniger ein, sondern stampfen in Rekordzeit neue, effiziente, kostenoptimierte und hochproduktive Kapazitäten in Europa aus dem Boden. Immer mehr Gießereien merken diesen Druck. „Old fashion“ ist out – endgültig. Die Darwin`sche Evolutionstheorie greift bei Unternehmen wie in der Natur: Unternehmen, die sich nicht anpassen, haben keine Überlebenschance werden also mit der Zeit aussortiert – heute schneller denn je. Zum Überleben erforderliche Kapitalkosten in Maschinen, Gebäude und Anlagen, die in Form von Abschreibungen und Krediten über Jahre verdient werden müssen, stellen viele Gießereien vor erhebliche Probleme. Problematisch, wenn nur geringe Gewinne erzielbar sind, Rezessionen oder Pandemien wirtschaftliche Aussichten trüben. Gießereien, die es hier schaffen, durch die Aktivierung ungenutzter Produktionsressourcen, Wettbewerbsvorteile zu generieren, stellen sich signifikant besser im Wettbewerb auf. Stagnierende und/oder kapitalintensiv aufgestellte Gießereien verzeichnen hingegen einen schmerzlichen Anstieg ihres Kostendrucks, den sie nur schwer kompensieren können.
Ein völlig unterschätztes Potenzial liegt in meist wenig beachteten Rüstzeiten. Es verwundert, artgleiche Druckgießmaschinen mit Rüstzeiten von bis zu 24 Stunden zu finden, zumal Zeiten deutlich < 60, ja sogar < 15 Minuten erreichbar wären. Bei einfachen Kernschießmaschinen sind Rüstzeiten von einer Schicht keine Seltenheit und bei Formanlagen fehlen häufig Modellplatten formmaschinennah. Logistik anstelle von Effizienz, Zeit anstelle von Produkten. Lösungsorientierte Ansätze vielerorts Fehlanzeige. Mit einer Rüstablaufstudie, einer SWOT Analyse, einer Multimomentstudie, einem Sanity Check, selbst mit Refa oder anderen artgleichen Tools lassen sich zeitnah und kostengünstig die Ursachen nicht optimaler Rüstvorgänge analysieren, mit Maßnahmen unterlegen und abstellen.

Das Vorgehen

Visualisierung
Die Basis zur Rüstzeitreduzierung bildet eine offene Aufarbeitung der Ist-Situation. Gemeinsam mit Verantwortlichen erfolgen vor Ort an ausgewählten Maschinen oder Fertigungsinseln zeitliche Ablaufstudienundtechnologische Erhebungen. Erfasst werden alle Handgriffe und Zeiteinheiten, die verstreichen, um eine Maschine/Fertigungsinsel von Artikel A auf B umzurüsten. Parallel wird die bestehende Organisationsstruktur und die Aufstellung des Rüstteams analysiert.
Aufbauend erfolgt eine visualisierende Ergebnispräsentation zur Diskussion der Rüstzeiten. Erfahrungsgemäß liegen die ermittelten Rüstzeiten um ein Vielfaches höher als vor Projektbeginn angegeben. Auf Basis der erarbeiteten Ergebnisse lassen sich rüstzeitreduzierende Schwerpunkte mit klaren Zielvorgaben ableiten.

Diese können beispielsweise liegen in den Bereichen:

  • Organisatorische Mängel (Aufbauorganisation)
  • Planerische Tätigkeiten (Arbeitsvorbereitung)
  • Rüstteamaufbau (Zuständigkeiten und Ausbildung)
  • Verfügbare Arbeitsmitteln (Werkzeuge)
  • Werkzeugtechnologie (konstruktive Erleichterungen)
  • Maschinentechnologie (Facility Management)
  • Aufbau von Fertigungszellen (Facility Management, Zugänglichkeit)
  • Formen/Modelle etc. (Schnellrüstfähigkeit)

Rüstzeitenreduktion
Jede durch die Rüstablaufstudie aufgezeigte und benötigte Zeiteinheit innerhalb eines Rüstvorganges ist in zwei Richtungen optimierbar:

  1. Arbeitsinhalte umgestalten und optimieren, sodass ein ausführender Mitarbeiter sie prozesssicher und schneller bewältigen kann
  2. Arbeitsinhalte konstruktiv grundsätzlich überflüssig machen.

Schritt eins ist in der Regel kurzfristig umsetzbar. Schritt zwei benötigt etwas länger, ist aber langfristig deutlich effektiver. Auf den Punkt gebracht bedeutet dies ein unterteiltes Heben eruierter Rüstpotenziale in Form von zwei Maßnahmenpaketen in:

  • sofort ohne oder mit geringen Investitionen umsetzbare Schritte
  • Schritte mit mittleren Investitionen und planerischer Vorphase

Wichtigstes Instrument bei der Implementierung vorgeschlagener rüstzeitreduzierender Maßnahmen ist die Bildung richtig besetzter Rüstteams. Diese müssen sachlich und fachlich in der Lage sein, in der horizontalen wie auch vertikalen Hierarchie eines Unternehmens Entscheidungen herbeizuführen. Hieraus ergibt sich die Forderung, dass Werker, Rüster, Vorarbeiter, Gießereileiter und Konstrukteure gleichermaßen in Rüstteams zu integrieren sind.
Zur Gewährleistung eines gleichen Wissenstandes ist es unerlässlich – wenngleich unpopulär – alle Teammitglieder in regelmäßigen Abständen rüsten zu lassen. Somit ist sichergestellt, dass tägliche, in der Regel konstruktiv abänderbare Probleme allseits bekannt und schon frühzeitig planerisch ausmerzbar sind. Darüber hinaus hat sich die Installation in Konkurrenz stehender Rüstteams als sehr vorteilhaft erwiesen. Unterstützend empfiehlt es sich, eine geeignete Entlohnung einzuführen, die den Rückgang der Rüstzeitaufwendung honoriert. Gemeinsam mit den definierten Teams wird die Methodik festgelegt, mittels der die erarbeiteten Rüstzeitminimierenden Schritte in der Praxis nachhaltig umgesetzt werden.
Wichtig ist die Definition ehrgeiziger, aber erreichbarer Ziele und die Fixierung von Maßstäben, an denen der Erfolg und die Nachhaltigkeit der Maßnahmenumsetzung abgelesen werden können. Dabei ist Wert daraufzulegen, dass der eingeleitete Optimierungsweg im Rahmen von Kaizen-Maßnahmen über die eigentliche Projektdauer weiterlebt. Ein Endpunkt einer Rüstzeitoptimierung wird nie erreicht. Das Erreichen eines Ziels bildet immer die Basis für eine weitere höhere Zielsetzung.
Letztendlich sollen Rüstabläufe so vereinfacht werden, dass sie innerhalb kürzester Zeit fehlerfrei ausführbar sind.

Krapohl-Wirth verzeichnet in den letzten Jahren eine steigende Nachfrage nach der Methodik der „Rüstzeitreduktion“, die auf Basis langjähriger Praxiserfahrung entwickelt wurde.
So können Rüstzeitreduktionen von über 60 % in der Regel mit einfachen Mitteln erreicht werden, bevor mit viel Fleiß und Know-how das Erreichte dann noch weiter optimiert werden kann. Als Faustregel gilt, dass Gießereimaschinen egal welcher Bauart Rüstzeiten < 15 Minuten erreichen können, so die Voraussetzungen geschaffen werden.

Dr. Dipl.-Ing. Hans-Peter Krapohl ist Geschäftsführender Gesellschafter und CEO der Krapohl-Wirth Consulting Gruppe. Er ist seit über 30 Jahren in der Gießerei-Industrie verwurzelt.

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